Die Schule

Chiba Shūsaku Narimasa
(千葉周作成政, 1792-1855)

Hokushin Ittō-Ryū Hyōhō

Eine Legende, die weiterlebt...


Die Hokushin Ittō-Ryū Hyōhō (北辰一刀流兵法), wörtlich: „Die Nordstern Ein-Schwert-Schule der Militärstrategie“, ist eine sogenannte Sōgo-Bujutsu Ryūha (vollständige Schule der Kriegskunst), die bis zum heutigen Tage ununterbrochen von Generation zu Generation überliefert wurde.

Hokushin Ittō-Ryū ist für die Stärke ihrer Techniken, ihre wissenschaftliche Herangehensweise an die Schwertkampfkunst, sowie für ihre einfach zu verstehende Lehrmethodik bekannt. Darüberhinaus ist sie eine Kunst, die eine tiefsinnige und reichhaltige Philosophie enthält und als Lebensweg bis hin zur Erleuchtung geübt werden kann.

Geschichte & Genealogie


Gegründet wurde sie in den 1820er Jahren, gegen Ende der Edo-Periode in Edo (heutiges Tōkyō) vom Samurai Chiba Shūsaku Narimasa, welcher als der letzte Kensei (Schwertheiliger) der japanischen Geschichte galt. Er gründete die Schule auf den Prinzipien der Ittō-Ryū und seines Familienstils, der Hokushin Musō-Ryū. 

Innerhalb nur weniger Jahre setzte sich seine Schule, die Hokushin Ittō-Ryū, an die Spitze der sogenannten „Edo San-Dai-Ryū, der drei stärksten und größten Kampfkunstschulen in der Geschichte des feudalen Japans. Die anderen zwei Schulen waren die Shintō Munen-Ryū und die Kyōshin Meichi-Ryū. Jede dieser drei Schulen hatte eine große Anzahl an Meistern und Schülern, genauso wie über das ganze Land verteilte Shibu-Dōjō (Zweigstellen).

In der Edo-Periode gab es zwei Hauptlinien der Hokushin Ittō-Ryū Hyōhō. Die eine war das Genbukan, die Linie des Stilgründers Chiba Shūsaku Narimasa und die andere das Chiba-Dōjō, seines jüngeren Bruders Chiba Sadakichi MasamichiAls Shūsaku aus Edo fortzog, leitete Sadakichi das Genbukan für einige Jahre und unterwies dort auch Shūsakus noch sehr junge Söhne. 
Staumbaum der Schule
Chiba Sadakichi Masamichi
(千葉定吉政道, 1797-1879)
Chiba Sadakichi war ein Visionär. Er öffnete sein Dōjō nicht nur für Bushi (Angehörige des Kriegerstandes) wie es zu dieser Zeit üblich war, sondern auch für Bauern, Handwerker, Kaufleute und sogar für Frauen und Kinder. Er glaubte, dass die Abstammung nichts mit dem Können zu tun hat und dass der aufrichtige Wille und hartes und kontinuierliches Training aus jedem einen guten Kenshi machen können. Diese „Politik der offenen Türen“ machte Sadakichis Dōjō beliebt und steigerte die Anzahl seiner Schüler beträchtlich.
Die meisten Bushi, welche die Geschichte Japans mit ihren Schwertern und Gedanken während der gewalttätigen Jahre der Bakumatsu-Ära (1853-1868) formten, haben die Hokushin Ittō-Ryū zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens erlernt oder gar gemeistert.

Diese Kunst war dermaßen einflussreich und populär, dass sogar Mitglieder der herrschenden Shōgunats-Dynastie (Tokugawa-Familie), Daimyō (Fürsten), Hatamoto (hochrangige Vasallen des Shōguns) und andere einflussreiche Amtsträger sich in diesem Sōgō-Bujutsu übten.

Aufgrund der Größe der Schule in der Edo-Zeit und den vielen vergebenen Lehrlizenzen bildeten sich aus der Hokushin Ittō-Ryū Hyōhō verschiedene Lehrlinien, welche vollständig unabhängig voneinander agierten und auch in der heutigen Zeit in keinerlei Verbindung mehr stehen.
Staumbaum der Schule
Am Ende der Edo-Periode war die Hokushin Ittō-Ryū Hyōhō eine der Schulen welche am Kōbusho, der berühmten Militärakademie des Tokugawa-Shōgunats (die Tokugawa waren 1603-1868 die militärischen Herrscher Japans), unterrichtet wurde. Später in der Meiji-Periode (1868-1912) lehrte man diese Schule sogar am Keishichō, dem berühmten Tôkyōter Polizeihauptquartier.

Im Juli 2013 übergab Chiba Hiroshi Masatane, das derzeitige Oberhaupt der Chiba Familie und direkter Nachfahre des Schulgründers, den Menkyo-Kaiden Ōtsuka Yōichirō Masanori die Schulleitung. Er ernannte ihn zum 6. Sōke der Hokushin Ittō-Ryū Hyōhō und eröffnete mit ihm zusammen erneuet das Chiba-Dōjō. Ōtsuka Yōichirō erlernte und meisterte in der Vergangenheit die Noda-ha Hokushin Ittō-Ryū unter Konishi Shigejirō und erhielt von diesem noch zu Lebzeiten die Erlaubnis ein eigenes Dōjō, das Shinmeikai zu eröffnen, welches er über 10 Jahre lang aktiv in Tōkyō führte.

Am 26. März 2016 ernannte er seinen Nachfolger und Ziehsohn Ōtsuka Ryūnosuke zum 7. Sōke der Hokushin Ittō-Ryū Hyōhō.

Der Titel des Sōke darf nur vom Oberhaupt der Hauptlinie der Hokushin Ittō-Ryū Hyōhō rechtmäßig geführt werden.

Staumbaum der Schule
Farbholzschnitt aus dem Jahre 1873 stellt ein Gekiken-Duell unserer Schule dar

Aufbau


Die Hokushin Ittō-Ryū ist in drei Stufen gegliedert:

    Shoden 初伝 (Anfang der Überlieferung / Anfänger)

    Chūden 中伝 (Mitte der Überlieferung /
  Fortgeschrittene)

    Okuden 奥伝 (Ende der Überlieferung / Meister)

​Wie viele andere Koryū, behielt auch die Hokushin Ittō-Ryū ihr altes Graduierungssystem bei. In anderen Worten, farbige Gürtel oder Aufnäher auf der Kleidung, sowie Graduierungen aus modernen Kampfkünsten wie z.B. Kendō, Iaidō, Judō etc. gibt es nicht.
Graduierungen werden in Form von Makimono (Schriftrollen) und Inkajō (Urkunden) vergeben, welche das Können und den Rang des Schülers anzeigen. Bei diesen fünf Graduierungen handelt es sich in aufsteigender Reihenfolge um:
  • Kirigami 剪紙
  • Hatsumokuroku 初目録
  • Kajomokuroku / Seigandenju 箇条目録 / 星眼伝授
  • Chūmokuroku / Menkyo 中目録 / 免許(Überlieferung aller Techniken)
  • Daimokuroku / Menkyo Kaiden 大目録 / 免許皆伝 (Meisterung der Schule)
​Neben diesen fünf Graduierungen existiert noch das Naginata-Mokuroku(長刀目録), für welches alle Naginata Techniken gemeistert werden müssen.

Staumbaum der Schule
Makimono der Hokushin Ittō-Ryū Hyōhō
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